Ansehen

Ein schlichter grauer Tisch mit zwei Aufbauten: Vorne rechts befindet sich eine Konsole mit Tasten in der Art einer Schreibmaschine, dahinter ein breiterer, höherer Aufsatz, kasten­förmig, abgeschrägt mit kantig hervorragenden Elementen und tiefen Aus­sparungen, in denen stapelweise und einzeln Loch­karten stecken. Vorne links ist Platz für Arbeitsmaterialien und vielleicht eine Kaffeetasse. Erst auf den zweiten Blick wird unter den Aufbauten ein unscheinbarer großer Kasten sichtbar, dessen Inneres verborgen bleibt.

Ein auf das Gerät geklebtes Schildchen kennzeichnet das Objekt als nicht beiläufig abgestellt, sondern als Teil einer Sammlung. Es gibt dem Objekt eine Nummer, ordnet es einer Institution zu, dem Museum der Gesellschaft für wissenschaftliche Daten­­verarbeitung Göttingen („GWDG.museum“), und macht Angaben über Hersteller, Produkt­­namen, Baujahr und Funktion: „International Business Machines, IBM 029, Karten­­locher, ca. 1960“.

Eine Lochkarte ist ein rätselhaftes Objekt: Sie enthält so etwas wie eine Botschaft, eine Information, die dem naiven Gegenüber zunächst verschlossen ist. Die Verschlüsselung dient dazu, Daten zu speichern und für Maschinen lesbar zu machen, die damit rechnen.

Diese technikgeschichtliche Perspektive unterscheidet sich von derjenigen der Angestellten, die an Lochkartenlochern ihre Arbeit verrichteten. Das waren zum überwiegenden Teil Frauen. Von ihnen ausgehend lassen sich andere Fragen an das Gerät stellen: Welche sinnliche Erfahrung bedeutete die Arbeit am Lochkartenlocher? Wie wirkte sie sich auf Körper und Wahrnehmung aus?

Wie fühlt es sich an, Daten für ein Gerät aufzuarbeiten, ohne selbst etwas mit diesen Daten anzufangen?

Weshalb wurden hauptsächlich Frauen mit dieser Arbeit betraut und was bedeutete das für ihre Karriere?

Können Sie sich vorstellen, dass Geräte wie das, auf dem Sie dies lesen, als historische Objekte in Museen stehen?