Es scheint, als zeige sich überall „dasselbe Bild“, so der Philosoph Michel Serres: „Menschen, die vor Computerbildschirmen sitzen und auf ihre Tastaturen hämmern“. Weder sei im digitalen Zeitalter noch nachvollziehbar, was die Gelehrten im Verbund mit ihren Computern eigentlich tun, noch mit welcherart Daten sie zu ihren Erkenntnissen kommen. Dieser Gedanke ist angesichts unseres zunehmend digitalen Lernens und Arbeitens leicht nachvollziehbar. Doch ein Besuch der Göttinger Universitätssammlungen lässt ein anderes Bild entstehen. Je genauer wir uns die wissenschaftlichen Geräte, die mit dem Digitalen entstanden sind, anschauen, desto deutlicher werden drei Beobachtungen: 1. dass die Mensch-Maschine-Schnittstellen im Detail äußerst vielfältig sind; 2. dass das Digitale analog wird, sobald wir uns ihm annähern und versuchen, es zu sehen, zu greifen oder zu hören und 3. dass sich nicht nur der Computer historisch verändert hat, sondern auch unsere Sinne. Was also sind Computersinne?
Dieser Fragestellung gehen Studierende der Philosophischen Fakultät an der Universität Göttingen in einer digitalen Ausstellung nach. Auf der Basis von Objektanalysen in den Sammlungen der Astrophysik und des Rechnermuseums der GWDG haben sie die materiellen, kulturellen, ästhetischen und poetischen Dimensionen wissenschaftlicher Geräte recherchiert. Entlang einiger zentraler Objekte haben sie die sinnlichen Tätigkeiten am Computer aufgespürt – das Sehen, Greifen, Hören und Denken.
Wie weit reichen unsere Sinne, um das Wissen auf einem 700m langen Magnetband zu entbergen, wann kommen Technik-Technik-Schnittstellen ins Spiel? Was hat ein Binokular aus dem 18. Jahrhundert mit unserer heutigen Webcam zu tun, wie bewusst schauen wir in einen Sehapparat? Wie fühlt es sich an, Daten für ein Gerät aufzuarbeiten ohne selbst etwas mit diesen anfangen zu können? Wie verhält sich die Maus als Verbindungsstück zwischen Computer und Menschen, ist sie vielleicht sogar mit einer Handprothese vergleichbar?
Die Ausstellung zieht den Bogen von unseren alltäglichen, technischen Gebrauchsgegenständen zu den historischen, wissenschaftlichen Sammlungsobjekten, indem sie die jeweiligen Nutzungsstrategien und -bedingungen reflektiert und interpretiert. Dabei soll der Besuch der digitalen Ausstellung selbst als „Mensch-Maschine-Schnittstelle“erfahrbar werden. Denn die Objekte werden durch die Recherchen nicht nur interdisziplinär zugänglich gemacht, auch ihre aktuelle Vermittlungssituation nimmt die Ausstellung in den Blick. Sie arbeitet zu diesem Zweck mit konkreten Sinneserfahrungen, die die Nutzer*innen am Computer machen: Mit haptischen Eindrücken wie dem Klicken der Maus, mit visuellen Erfahrungen wie dem Blick durch ein Binokular und mit selbstreflexiven Momenten durch den Einsatz von Pop-Ups. „Computersinne“ addressiert also die Körpererfahrungen der Besucher*innen und macht ihnen bewusst, wie ausgiebig sie mit Technologien interagieren, in welchem Maße sie auf sie angewiesen sind und auf welche Weise sie mit ihnen wahrnehmen.